Zur Verteidigung der deutschen Sprache

27.03.2023

Die deutsche Sprache – als eines der hochentwickeltsten Glieder der alten indogermanischen Sprachfamilie, genauer gesagt der westgermanischen (in welchen Quellen auch südgermanischen) Sprachen – habe im Laufe ihrer Existenz zu Recht sowohl positive wie auch negative Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ihr mitreißendes Tempo, ihr reicher und einzigartiger Formenreichtum in Wortschatz und Grammatik, ihre sich der Logik anpassende, hochentwickelte, aber dennoch klare Struktur sowie ihr eigenartiger Rhythmus, der sie von den übrigen europäischen Sprachen unterscheide, bildeten eine Skala sprachlicher und kultureller Werte, die in anderen Sprachen nicht in dieser konzentrierten Form anzutreffen sei. Doch nicht alle, die sich für dieses faszinierende Sprachgut interessierten, begegneten ihm mit der gebotenen Ehrfurcht. Der Drang, sich die Sprache nach oberflächlicher Kenntnisnahme so schnell wie möglich anzueignen, führe nicht zu ihrer Wertschätzung und Liebe, sondern vielmehr zu ihrer billigen Verunglimpfung.

Die oberflächliche, buffettisch angerichtete Präsentation der sprachlichen, regionalen, historischen und stilistischen Vielschichtigkeit dieser Sprache erniedrigte sie. Die Schlagworte wie ,,reine Quelle", ,,sprachliche Mutterschaft" oder ,,individuelle Improvisation der deutschen Sprache" würden in sträflicher Weise missbraucht von jenen, die unvorbereitet, oberflächlich und schwach erlernte, aus verschiedenen Gegenden willkürlich zusammengestellte Dialekte, Kauderwelsch und Slangausdrücke massenhaft auf ihre Gesprächspartner losließen. Die jahrhundertelang von zahllosen ,,Sprachgenies" (wie Martin Luther, Friedrich Blatz oder den Brüdern Grimm) sorgfältig geschliffenen Sammlungen und Werke dürften nur in anspruchsvoller Auswahl und unter systematischer Berücksichtigung der Regeln sowie durch künstlerische Herausarbeitung der typischen Merkmale der deutschen Sprache vermittelt und populär gemacht werden – nicht aber durch ihre profane, marktorientierte Verflachung, die mit möglichst geringem Aufwand, in eiligem Wettlauf und zu niedrigem Preis betrieben werde.

Die Sprache sei ein immaterielles, in hohem Maße auf Kreativität beruhendes Gut, das als Kompass der Kommunikation diene. Sie sei keine bloße Reproduktion ihrer selbst oder anderer Kommunikationsmittel, sondern vielmehr ein Wegweiser für alle anderen Ausdrucksformen. Nicht die Sprache sollte sich an kleinere Gruppen anpassen, sondern umgekehrt sollten sich diese an ihr orientieren. In den letzten hundert Jahren habe sich – durch den Einsatz von Hunderten Millionen Euro und Tausender von Arbeitskräften – ein Markt entwickelt, in dem mittlerweile auch Durchschnittsbürger Zugang zu Sprachlehrwerken hätten. Doch so dringend das oft angestaubte ,,sprachliche" Getriebe einer Auffrischung bedürfe, dürfte dies nicht in der Weise geschehen, wie es viele annähmen und betrieben. Es gebe leider Individuen, die ab einem gewissen Punkt den Drang verspürten, ein Buch zu schreiben, was zur Folge habe, dass das Sprachniveau des Marktes in den letzten Jahren wie ein Schiff, das gegen einen Eisberg pralle, langsam, aber sicher sinke. Denn jeder meine, er könne in drei Monaten ein Buch schreiben und in zwei Monaten verlegen lassen, weil er glaube, die Sprache zu beherrschen. Doch leider belehre der eine Tag den anderen – und das nicht nur bei Fremdsprachen, sondern selbst in der Muttersprache. Wer glaube, er habe eine Sprache bereits gemeistert, werde sie niemals wirklich lernen.

Ein wahrhaft bewunderter Artikel, ein Film, ein Musikstück oder ein Buch – all dies könne ein Halbdeutscher oder gar ein vollständiger Ausländer oft erst nach Jahrzehnten ständigen, intensiven Lernens und Überlegens von Kindheit an in einer solchen Reife erfassen, dass er jedes Wort verstehe und interpretiere, wenn es ihm beim Mittagessen im Radio oder in einer Zeitung begegnet. Doch diese langwierig erarbeitete und angesammelte Erkenntnis wollten manche Lehrer und Schüler heute in wenigen Monaten, Wochen oder gar Tagen oberflächlich und ohne tiefere Reflexion aneignen – oft aus kommerziellen Beweggründen, getrieben von ehrgeizigem, jedoch wenig qualifiziertem Streben nach Erfolg. Zudem unternähmen sie nicht den Versuch, sich auf einen bestimmten Sprachstil oder Dialekt zu konzentrieren, sondern versuchten, mehrere gleichzeitig zu verinnerlichen – dabei stelle jeder einzelne von ihnen eine eigene Welt dar, die ein tiefgehendes Verständnis, eine innere Identifikation und ein intensives Erleben erfordere. Nicht jeder sei fähig, jeden Stil und jeden Dialekt zu beherrschen, denn die oft komplexen und tiefgreifenden gedanklichen Strukturen einer Sprache ließen sich nicht einfach in schnelle, einfache Sätze packen – und in einer immer rasanter werdenden Welt wolle oder könne man sie nicht mehr wirklich aufnehmen.

Eines sollten wir verstehen, akzeptieren und wissen: In einer Fremdsprache gebe es nicht nur eine einzige richtige Lösung oder Methode. Das bedeute jedoch nicht, dass es in Beispielsätzen keine Fehler geben dürfe. Gerade deshalb sollten wir bedenken, dass jede ernsthaft konstruierte Satzstruktur eine gewisse Unbestimmtheit in sich trage – als Spiegel der Vielschichtigkeit der Sprache. Bei einer Fremdsprache dominiere die Integrität – und die deutsche Sprache sei ein herausragendes Beispiel dafür. Sie könne bis heute in ihrer ursprünglichen Vollkommenheit gesprochen werden, wenngleich narzisstische Lehrer, die aus dem Spracherwerb ein Geschäftsmodell gemacht hätten, dies in mal mehr, mal weniger großem Maße zu beeinflussen vermöchten.

Die deutsche Sprache und ihr jahrtausendealtes Erbe verlangten ebenso eine sorgfältige philologische Betrachtung, wenn es um ihre Vermittlung und Verbreitung gehe, wie das Werk eines großen Dichters oder Schriftstellers. Es sei unverantwortlich, sie willkürlich zu verstümmeln, zu verwässern oder deutsche und englische Begriffe zu vermengen, ihre Regeln eigenmächtig zu verändern und dann in Buchform oder als Vortrag herauszugeben. So wie sich die großen Geister der deutschen und ungarischen Kunst – Arany János, Petőfi Sándor, Bartók Béla, Kodály Zoltán und die Pesovár-Brüder – mit tiefer Ehrerbietung vor der ungarischen Kultur verneigten, so verneige ich mich als begeisterter Lernender dieser germanischen Sprache ebenso respektvoll vor ihrer vielgestaltigen, strukturierten Kultur, ihrer magischen Aussprache und ihrer geistigen wie materiellen Vielfalt: Ich verbeuge mich vor ihr – mit Würde und Wahrhaftigkeit lehre ich sie!